Augsburg – Manchmal wissen sie selbst nicht, wie sie über den Monat kommen sollen. Sie gehen dann zur Tafel, dort bekommen sie Lebensmittel, die für ein paar Tage ausreichen. Doch was ist mit dem Hund? Der Katze? Den Tieren, die sie oft schon seit Jahren begleiten? So sehr sie oft selbst in der Krise stecken, ihren Vierbeinern darf es an nichts fehlen. Menschen, die Hartz IV beziehen oder nur eine kleine Rente, können einmal im Monat zur Tierfutternothilfe an den Lauterlech kommen. Dort bekommen sie das, was ihre treuen Freunde brauchen.
Nicole Wojir ist gelernte Verkäuferin. Die fröhliche blonde 35-Jährige ahnte bis vor ein paar Jahren nicht, welch dramatische Wendung ihr Leben einmal nehmen würde. Es begann, als der Discounter, in dem sie arbeitete, schloss. Sie landete bei einer Zeitarbeitsfirma. Und dann wurde sie schwanger. „Ich habe bis 14 Tage vor der Geburt gearbeitet“, berichtet sie. Ihre Tochter kam behindert zur Welt. Charlene wird trotzdem über alles geliebt. Aber die Sechsjährige braucht intensive Betreuung. Dass Nicole Wojir als alleinerziehende Mama wieder arbeiten gehen kann, ist zumindest derzeit nicht vorstellbar. So schnell landet man bei Hartz IV. Die 35-Jährige hat zudem zwei Katzen. Tipsy und Tapseline, beide elf Jahre alt, hatte sie schon als Katzenjunge bekommen. Die Katzenmama hatte die Kleinen verstoßen. Und wenn man schon kein Glück hat, kommt gern noch Pech dazu: Das eine Kätzchen ist chronisch krank, es braucht spezielles Futter. Behandlung und Diät kosten viel. „Ich bin sehr froh, dass es die Tierfutternothilfe gibt“, sagt die Augsburgerin.
Kathrin Hellinger ist gelernte Tierarzthelferin. Sie arbeitet in der Praxis ihres Mannes. Oft erlebt sie dort, wie schwer manchen Patientenbesitzern das Bezahlen der Rechnung fällt, wie schlimm es ist, wenn Spezialfutter notwendig wird. Und da steht dann die Rentnerin und bittet unter Tränen, dass ihr Viecherl eingeschläfert oder ins Tierheim gebracht wird, weil sie sich den Unterhalt nicht mehr leisten kann. Kathrin Hellinger wollte nachhaltig helfen.
Und so gründete sie vor acht Jahren die Tierfutternothilfe. Ein Gedanke dahinter: Wer am Futter sparen kann, hat eher das Geld, wenn der Tierarzt nötig ist. Denn dieser darf, auch wenn er es gern möchte, nicht kostenlos arbeiten. Er muss sich an die Gebührenordnung für Tierärzte halten. Tut er es nicht, riskiert er eine Anzeige – eventuell von einem aufmerksamen Konkurrenten, der dahinter unlautere Werbung vermutet.
Die Anfänge der Tierfutternothilfe lagen in Kriegshaber. Charly Held und der Kindergarten Kleine Freunde überließen der gemeinnützigen Organisation ein Areal an der Sommestraße. 2012/13 wurde es aufgelöst. Manchmal trauert Kathrin Hellinger dem ersten Domizil noch nach, denn dort gab es keine Nachbarn, die sich über die armen Menschen, denen geholfen wird, aufregten. Seit die Tierfutternothilfe am Lauterlech in der Jakobervorstadt beheimatet ist, gibt es öfter Probleme.
Obwohl es sich keineswegs um eine ruhige Wohngegend handelt – um die Ecke liegen die Hasengasse und eine Kneipe im Rotlichtbezirk – regen sich manche Anwohner auf, wenn zweimal im Monat an einem Samstagvormittag von 9 bis 12 Uhr die Ausgabe öffnet. Manchmal bilden sich dann Schlangen vor der Tür des kleinen Ladens. Einige Menschen stört es, wenn sie mit der Not ihrer Mitmenschen so unmittelbar vor der eigenen Haustür konfrontiert werden. Es gab schon Beschimpfungen, berichtet Kathrin Hellinger.
Nur die wenigsten bringen ihren Hund mit, wenn sie sich Futter abholen – wofür sie übrigens immer 50 Cent zahlen müssen. Zum einen haben sie damit genug zu schleppen, zum anderen sieht man es bei der Tierfutternothilfe nicht so gern, dass die Zamperl dabei sind. Sie könnten bellen, wenn sie auf Artgenossen treffen, und auch das könnte die Anlieger stören.
Für das kleine Geschäft muss die Tierfutternothilfe nur wenig Miete zahlen. Die verständnisvolle Hausbesitzerin freut sich, so auch einen Beitrag leisten zu können. Oft spenden Leute, wenn ihr Tier gestorben ist, was sie noch an Futter übrig haben, oder an Ausstattung. Denn auch Halsbänder, Näpfe, Spielzeug, Körbchen und Transportkisten bekommen die Bedürftigen bei der Tierfutternothilfe.
Eine ältere Frau kommt vorbei. Ihre Katze sei gestorben, berichtet sie bedrückt. Immerhin wurde sie gut 18 Jahre alt. Ein neues Tierchen möchte sie nicht. Wohin also mit dem Equipment? Ihre Tochter, sagt sie, habe im Internet die Tierfutternothilfe entdeckt. Nun bringt sie Spezialfutter für nierenkranke Miezen. Es wird gern genommen. Ebenso wie der große Kratzbaum und die Transportkisten, die eine Cabriofahrerin abliefert.
Bei der Erstanmeldung müssen die Kunden angeben, für welches Tier sie etwas benötigen. Nur für die gemeldeten Vierbeiner können sie sich dann einmal alle vier Wochen etwas holen. „Wenn einer meint, ach, jetzt lege ich mir noch einen Hund zu, dann unterstützen wir das nicht“, erklärt die Vorsitzende der Tierfutternothilfe. Es wird auch kontrolliert, ob jemand wirklich Sozialhilfe oder nur eine geringe Rente bezieht. 870 Leute und 1500 Tiere – darunter auch Vögel, Fische oder Nager – stehen in der Kartei, berichtet Sigrid Köhler, die seit 2011 als eine von 15 aktiven Ehrenamtlichen dabei ist. „Ich habe seitdem höchstens an vier oder fünf Samstagen gefehlt“, berichtet sie lachend. 450 Personen kommen regelmäßig zur Ausgabe. Vier bis fünf neue melden sich immer an. Sie leben in Augsburg und dem Kreis Augsburg. Anfangs durften auch Leute aus dem Landkreis Aichach-Friedberg kommen. „Das mussten wir einstellen. Es wurde einfach zu viel“, erläutert Kathrin Hellinger.
In Ausnahmefällen hilft die Organisation auch bei der Tierarztrechnung, etwa, wenn jemand die Kastration nicht bezahlen kann. Sonja K. hat so ein Problem. Sie hat fünf Meerschweinchen, eine Tierart, die man nicht einzeln halten sollte. Doch ein Männchen ist darunter. Das müsste „entmannt“ werden. 75 Euro verlangt der Tierarzt dafür. „Wir geben aber kein Bargeld aus. Wir überweisen direkt an den Tierarzt“, erklärt die Vorsitzende. Früher kam regelmäßig „Doc Fellnase“, der Tierarzt des Tierheims, vorbei. Dieser darf, im Gegensatz zu seinen Kollegen, kostenlos arbeiten. Derzeit ist dessen Stelle unbesetzt. „Wir hoffen, dass es im Herbst weitergeht“, so Kathrin Hellinger. Zu Sonja K. sagt sie, ihr Tierarzt solle die Tierfutternothilfe anrufen, man werde die Kastration übernehmen, und erntet dafür ein erleichtertes Strahlen. Der Meersaumann muss nicht ins Exil.
Mittlerweile ist der Vormittag vorangeschritten, der erste Ansturm bewältigt. Sigrid Köhler gönnt sich ein Zigarettenpäuschen. Die gebürtige Dresdenerin erzählt, wie froh sie ist, helfen zu können. „Sie glauben ja nicht, wie wichtig ein Tier für einen Menschen sein kann, der ansonsten allein ist“, sagt sie nachdenklich. Sie hat selbst einen Hund und eine alte Katze, aber keinen Partner. „Was die sich oft von mir anhören müssen“, schnaubt sie. Da geht es ihr wie allen Kunden, die jeden vierten Samstag ein Ziel haben: Für den Vierbeiner tut man alles, und da kann die ausgegebene Futterration, die immer für eine gute Woche ausreicht, oft viel bewirken.
Am heutigen Samstag öffnet die Ausgabestelle der Tierfutternothilfe am Lauterlech 38 wieder von 9 bis 12 Uhr. Auch wer etwas abzugeben hat, kann kommen. (
Von Monika Grunert Glas)